The Global Contemporary. Kunstwelten nach 1989, 20.10.2011
1989 markiert nicht nur das Ende des Kalten Krieges und den Beginn der spätkapitalistischen Ära der New Economy sondern auch das erstmalige Auftauchen des Begriffs „Global Art“. Welche Auswirkungen die geopolitischen Wandlungen der Globalisierung auf die Kunst haben zeigt eine Karlsruher Ausstellung. „The Global Contemporary. Kunstwelten nach 1989“ dokumentiert zum einen die rasante Ausbreitung, Vervielfachung und globalen Mechanismen von Museen, Biennalen und Kunstmärkten der letzten 20 Jahre und präsentiert andererseits Werke, welche die Arbeitsbedingungen und persönlichen Erfahrungen von Künstlern in einer globalisierten Welt reflektieren. Ein Beduinenzelt, in dessen orientalischem Muster Darstellungen berühmter touristischer Highlights eingearbeitet sind, kann als Symbol des zeitgenössischen nomadischen Künstlers angesehen werden, der seine Kultur mit sich trägt und fortwährend neue Eindrücke fremder Orte und Menschen integriert. Schnell wird deutlich: Globale Künstler reisen viel, studieren auf unterschiedlichen Kontinenten, stellen allerorts aus und sind international vernetzt. Womöglich schaffen sie sogar eine neue Art von Kunst mit „Anspruch auf Zeitgenossenschaft ohne Grenzen und ohne Geschichte“, wie es die Kuratoren Hans Belting und Andrea Buddensieg vorschlagen. Für eine abschließende Antwort gilt es die historische Distanz abzuwarten und derweil die vielfältigen Werke der Schau zu erkunden. In Form roter Fäden und persönlicher Erzählung verdeutlicht Nezaket Ekici performativ die Stationen ihrer Reisen. Während Martin Kippenberger Anfang der 90er auf das Hotelpapier bereits verlassener Orte kritzelte. Zu Recht stellt Tamy Ben-Tor per Video das System der Artist in Residence Programme in Frage, wenn sie eine ratlose Künstlerin darstellt, die mangels Idee, ihre Ideenlosigkeit archiviert. Nicht selten entsteht im Rahmen von Stipendien und Ausstellungen mittelmäßige Kunst. Die Ausstellung spricht wichtige Fragen von Exklusion und Wertung an. Mit „An Arist who cannot speak English is no artist“ kritisiert Mladen Stilinovi´c die Verabsolutierung der englischen Sprache, während Cai Yuan und Jian Jun Xi demonstrativ auf Duchamps „Fontaine“ urinieren. SOSka group tauschen in einem ukrainischen Dorf Kunstdrucke von Werken Lichtensteins oder Shermans gegen Naturalien, wodurch westliche Kunst zur Grundbedürfnisse sichernden, befremdlichen Tauschware wird. Und auf Altinderes Fotografie ist nicht die auf Orientteppichen thronende Alte, sondern das Hochglanzkunstmagazin exotisch. Kopieren als Kunstpraxis (Gabriele di Matteo), Dokumentationen kultureller Praktiken (Pieter Hugo, Melanie Jackson), transformierende Aneignungen westlicher Kunst (Miao Xiaochun, Zander Blom) und politisch engagierte Werke (Ursula Biemann, James Luna, Erika & Javier) bestimmen das breite Spektrum der Schau.
The Global Contemporary. Kunstwelten nach 1989. ZKM / Museum für Neue Kunst. www.zkm.de. 19.9.2011-5.02.2012. Vielfältiges Rahmen- und Vermittlungsprogramm und Artists-in-Residence unter: www.globalartmuseum.de, www.global-contemporary.de
Bregenz: Anfang gut. Alles gut. 19.08.2011
Kann man eine zeitgenössische Auseinandersetzung mit einer russisch-futuristischen Oper ausstellen? Im Kunstmuseum Bregenz gelingt dies mit Mängeln. Es fehlt an einem Präsentationsmodus, der das 1913 im St. Petersburger Lunaparktheater aufgeführte Stück „Sieg über die Sonne“ als solches aktualisiert, sodass die künstlerische Verarbeitung der Vertreter unterschiedlicher Kunstsparten deutlich wird. Der kurze Text und die Präsentation von Malewitschs gezeichneten Kostümentwürfen reichen dafür nicht aus. Außerdem trägt die unruhige KUB-Arena nicht gerade zur konzentrierten Betrachtung der assoziativen Kunstwerke bei. Vereinzelt lassen sich Elemente der Oper, wie die Sonne, die in einen Betonbau eingesperrt wurde, futuristische Kostüme und Sprachdestruktion ausmachen. Von Matjuschins Lichtspielen und Malewitschs Bühnenentwürfen inspiriert schuf Michaela Melián mit Kristallgläsern, Leinwand und Diaprojektor eine faszinierende Stadtsilhouette. Heiko Karn und Katrin Mayer verweisen mit Reproduktionen auf schlichten Panelen auf utopistische Entwürfe von Ledoux oder Bouillée. Und auf codierte Art blitzen Gedichte Chlebnikows in Nathalie Czechs Werken auf. Sicherlich sind die Performances sehenswert, die mit Kostümen, Bildern, Klang und Bewegung den Charakter der Oper aufnehmen können.
Anfang gut. Alles gut. Aktualisierung der futuristischen Oper Sieg über die Sonne (1913). KUB-Arena. Kunsthaus Bregenz. www.kunsthaus-bregenz.at. 16.7. bis 16.10.2011. Performances und Diskussionen: 7.10.-8.10.